Sonntag, 08.12.2024: Advent – unterwegs zu einer guten Zukunft
Ursprünglich war der Advent im Christentum vor allem von einem Motiv geprägt: Advent als Auseinandersetzung mit der Zukunft: Was dürfen wir hoffen? Wann kommt die Erlösung? Wann kommt Gott? Unsere Gesellschaft setzt sich momentan auch intensiv mit der Zukunft auseinander: Wie wird sie sich entwickeln? Klimawandel, Migration, Kriege und vieles mehr sind hier die Themen im Stimmengewirr aktueller Debatten.
Für den christlichen Advent, für die christliche Auseinandersetzung mit der Zukunft ist dabei nicht Angst das bestimmende Grundmotiv. Im Advent werden bei den Gottesdiensten vor allem viele Texte aus dem Jesaja-Buch gelesen. Ein Buch, das ich gerne vor allem mit einem Stichwort in Verbindung bringe, mit dem Stichwort „Hoffnung“. Die Texte des Jesaja-Buches sind für mich sehr oft Hoffnungs-Texte.
Die bestimmende Tonart, in der Christ*innen der Zukunft entgegensehen und entgegengehen sollen, ist das in Jesus gründende Vertrauen, dass die Zukunft gut sein wird – nicht im Sinne der gelingenden Abwendung künftiger Katastrophen. Nein, die Zukunft wird gut, weil es in der Zeitdimension christlichen Glaubens Gott ist, der auf uns zukommt, weil Gott unsere Zukunft ist.
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Montag, 09.12.2024: Advent – voller Hoffnung sein
Gestern erzählte ich in meinen Morgengedanken, dass ich darauf vertraue, dass Gott die Menschen einer guten Zukunft entgegenführt. Das soll keineswegs eine wohlfeile Beruhigungspille sein, nicht das einlullende Opium im Sinne Marx‘ und Lenins, das den Blick auf die Realität vernebelt und das Leben in ihr vermeintlich erträglich macht – keineswegs! Die Grundhaltung adventlichen Christseins ist vielmehr für mich äußerste Wachsamkeit und Handlungsbereitschaft, auch und hoffentlich gerade auf dem Feld der Politik – aber eben nicht aus Angst, sondern aus Hoffnung.
Hoffnung meint nicht verträumte Schläfrigkeit oder naive Blauäugigkeit. Sie ist auch etwas Anderes als bloßer Optimismus, sei dieser nun verzweifelt oder methodisch. Christliche Hoffnung bedeutet vielmehr für mich Klarsichtigkeit, volle Wahrnehmung der Realität, aber mit einem Blick, der seinen Ankerpunkt jenseits des Horizontes dieser Welt und ihrer Geschichte hat.
Adventliches Christsein bedeutet demnach, ganz in dieser Welt zu leben, mit ihr um eine gute Zukunft zu ringen – aber ohne Angst und Verzweiflung, vielmehr in der hoffnungsfrohen Gelassenheit, dass diese gute Zukunft längst angebrochen ist und auf uns zu kommt. Das ist die vielversprechende Absicht Gottes für uns Menschen.
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Dienstag, 10.12.2024: Advent – Gott selbst macht den 1. Schritt
Im Advent gibt es in den Gottesdiensten oft Lesungen aus dem Buch des Propheten Jesaja. Einer dieser Texte umfasst Verse aus dem 63. und 64. Kapitel. Darin stellt sich das Volk Israel die Frage: „Wo bist du, Gott?“ Für die Israeliten um das Jahr 520 v. Chr. in Jerusalem war Gott nicht mehr erkennbar.
Ein erstes Bild in diesen beiden Kapiteln ist jenes vom Himmel, der aufreißt und Gottes Gegenwart unter den Menschen ermöglicht (Jes 63,19). Friedrich von Spee hat das in seinem bekannten Adventlied vertont: „O Heiland reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf.“ Das erste Bild beschreibt, dass Gott selbst die Himmel aufreißt, um zu den Menschen zu kommen. Damals wie heute setzt Gott den ersten Schritt, damit Menschen ihn finden, erkennen, spüren.
Für mich ist das total entlastend, nämlich zu wissen, dass ich im Grunde genommen nichts tun muss, um Gott zu entdecken. Gott ist der Handelnde. Advent, das kann für mich bedeuten: Gott bleibt nicht unnahbar im Himmel. Nein, er möchte bei den Menschen sein. Oder anders formuliert: Gott ist dort, wo sich mir in meinem Alltag der Himmel öffnet.
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Mittwoch, 11.12.2024: Advent – Gott erlöst, von Anfang an
Im Kapitel 63 des Jesaja-Buches finde ich ein zweites Bild, das mir jetzt im Advent eine Antwort gibt auf die Frage: „Wo bist du Gott? Wie kann ich dich finden?“ Es ist der Vers 16: „Unser Erlöser von jeher“ (Jes 63,16). Für mich bringt dieser Satz zum Ausdruck: „Denk doch an all das, was Gott getan hat. Denk doch an all das, was in der Bibel steht über mich. Denk an all die unzähligen Geschichten, wo Menschen im Sinne Gottes gehandelt, gelebt und geliebt haben. Und erkenne darin, wie ich, Gott, bin. Begreif doch, dass ich euch Menschen erlösen möchte. Begreif doch, dass sich durch die gesamte Geschichte der Menschheit ein roter Faden hindurchzieht: ‚Ich, Gott, bin der Erlöser von jeher‘.“
Gott befreit – damals und auch heute. Jetzt im Advent erinnere ich mich neu daran. Die Erzählungen in der Bibel lassen mich vertrauen, dass Gott von Anfang an erfahrbar gewesen ist als ein Gott, der auch in größter Not und Gefahr Hoffnung schenkt, Rettung bringt, einer, der erlöst vom Leid, von all dem, was mein Leben einengt und mich niederdrückt.
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Donnerstag, 12.12.2024: Advent – Gott tröstet
Einen weiteren Hoffnungs-Text im Jesaja-Buch finde ich im 40. Kapitel: „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott!“ (Jes 40,1). Die nach Babylon verbannten Israeliten dürfen zurückkehren in ihr Land, und ihnen wird Trost zugesprochen: Der Frondienst ist zu Ende, Gott selbst kommt zu seinem Volk. Er tut dies einerseits machtvoll und andererseits als fürsorglicher Hirte, der sich um seine Schafe kümmert, behutsam. Das 40. Kapitel des Jesaja-Buches sagt also: Gott selber tröstet sein Volk.
Was tröstet mich? Was ist Trost für mich? Wie funktioniert das, trösten? Einerseits sind es da mal Menschen, die mir nahestehen, die ich gerne habe, und die mich auch gerne haben. Menschen, auf die ich mich verlassen kann. Menschen, die für mich da sind, bei denen ich mich ausreden kann.
Neben guten Freund*innen kann mich Musik, und hier vor allem klassische Musik tatsächlich auch trösten. Wenn ich das „Deutsche Requiem“ von Brahms höre, oder den „Elias“ von Mendelssohn-Bartholdy, oder jetzt im Advent das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach. Mitten im Advent erinnert mich die Lesung aus dem Jesaja-Buch, dass Gott mich trösten möchte, ganz, ganz behutsam.
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Freitag, 13.12.2024: Advent – einander „gerecht“ sein
„Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott. Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit“ (Jes 61,10). Ein weiterer Text vom Propheten Jesaja, der mich hoffen lässt. Ich finde nämlich, dass es heutzutage gar nicht so einfach ist, in Worte zu fassen, wie Gott handelt, oder wie Gott zu mir ist.
Mich fasziniert daher diese Vorstellung von den Gewändern, in die Gott mich kleidet. Gott ist der Aktive. Er, Gott, kommt auf mich zu und lässt mich in einen Mantel reinschlüpfen. Gerade jetzt im Winter ist das für mich ein sehr ansprechendes Bild, weil mir doch immer so kalt ist. Gott möchte, dass ich mich hineinkuschle in seinen Mantel, der Gerechtigkeit ist. Ein wohlig-warmes Gefühl stellt sich da sofort bei mir ein.
Und dieser Mantel wärmt mich nicht nur, er schenkt mir die Fähigkeit, gerecht zu sein, d. h. für mich: Weil Gott mich mit dieser Befähigung ausstattet, kann ich auch mit meinem Mitmenschen gut, respektvoll, wohlwollend umgehen, kann ich ihm seine Würde zukommen lassen. Advent, Zeit, einander gerecht zu sein.
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Samstag, 14.12.2024: Advent – Gott macht Neues
„Seht her ich mache etwas Neues, schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht?“ (Jes 43,19), ist mein letzter Hoffnungs-Text aus dem Jesaja-Buch, aus dem 43. Kapitel. Ich halte nichts vom Jammern. Es bringt mich nämlich nicht weiter, es verändert nichts. Viel lieber lass ich mich von diesem Vers aus dem Jesaja-Buch leiten und bin wachsam für die vielen kleinen Ansätze, die unsere Welt tagtäglich verbessern und menschlicher machen. Ich nehme wahr, dass es in meinem Umfeld sehr wohl Menschen gibt, die ihre Konflikte fair und gewaltfrei austragen. Ich nehme wahr, dass Menschen dankbar sind für jede kleine Hilfe, die ich anbiete. Ich nehme wahr, wo Ermutigung zum Teilen und zur Solidarität gelebt wird. Das Gute ist oft ziemlich leise.
Advent feiern heißt für mich, konkret Schritte zu tun, damit ich dem näherkomme, was dieser Jesus gewollt hat und was er getan hat. Advent feiern heißt, mich zu engagieren, damit Vertrauen, Wohlwollen, Gemeinschaft in meiner Umgebung erfahrbar wird – durch mich. Advent feiern heißt für mich: diesen Jesus ankommen zu lassen – in mir, durch mein Handeln, das meine Mitmenschen aufbaut, aufrichtet, Mut macht, Freude vermittelt.
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